Zwar war ich bereits nach dem Abitur von 1969 bis 1971
Auszubildender und Bankkaufsmanngehilfe bei der Commerzbank AG in Mönchengladbach.
Aber ich möchte die Rückschau auf meine Chefs mit dem Jahr 1976 beginnen. Im
heißen Sommer machte ich an der Uni Saarbrücken meinen Diplom-Volkswirt.
Wolfgang Stützel
(1923-1987): Meinen ersten Job hatte ich mir in einer Kneipe der Saarbrücker
Altstadt ´erquatscht´, wo ich Stützel mit Kenntnissen über Kenneth Boulding
beeindruckt haben muss. (Zu Stützel: Ein farbiges
und treffendes Portrait aus dem Jahr 1969 hat der zu früh verstorbende Willi
Bongard verfasst.) Mit dem Diplom wandelte sich meine Stelle als studentische
Hilfskraft in eine ½-Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für
Geld- und Kreditwesen. Da ich dank Olaf Sieverts Vorlesungen und meiner
(Vor-)Diplomarbeiten Boden- und Städtebaupolitik recht gut kannte, nahm mich
Stützel für Vorarbeiten zu einem Gutachten für ein „ministerienähnliches
Gebilde“ auf. Es handelte sich um das inzwischen längst aufgelöste Bundesministerium
für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Das Gutachten befasste sich mit der
Auswirkung verschiedener Konzepte des Bau- und Bodenrechts auf den privaten
Kredit. Insofern blieb Tuchfühlung erhalten mit Stützels Kernkompetenzen Gemeingüter,
Konkurrenzparadoxa, Risikentransformation und Saldenmechanik (1958). Wie
Stützel tickte, erfährt man in seinem letzten mit Rolf-Dieter Grass verfassten Lehrbuch,
Volkswirtschaftslehre, Verlag Vahlen[1].
Er war mehr ein mikroökonomisch fundierter Makroökonom und Experte des
Kreditwesens als der keynesianische Lauterbach-Schüler, zu dem er heute (z.B
auf Wikipedia durch einen gewissen ´Walwol´) gemacht wird[2].
Nach meiner Arbeit für Wolfgang Stützel rief das vom früheren
Saarbrücker Professor Herbert Giersch und meinem späteren Doktorvater Gerhard
Fels geleitete Institut für Weltwirtschaft in Kiel in die alte Krupp´sche Villa
an der Förde. Damit schlug ich den inzwischen von liberal erzogenen Ökonomen ausgetretenen
Pfad von Saarbrücken nach Kiel in die von Juergen
B(ernardo) Donges (1940-) geleitete Abteilung ´Entwicklungsländer und
Weltwirtschaft´. Meine Aufgaben konzentrierten sich auf Landwirtschaft,
Verbraucherverhalten und Außenhandel besonders in Malaysia; das hatte zwar
wenig mit meinen Vorkenntnissen zu tun, aber ich sollte in erster Linie einem Gutachten
für den SFB 86 der Deutschen Forschungsgemeinschaft dienen. Die Abteilung war
vor allem damit beschäftigt, Schwellenländer von der Strategie der
Industriepolitik cum Importsubstitution abzubringen. Der hochkonzentriert
arbeitende Donges war viel unterwegs für die Verbreitung konsequent
marktwirtschaftlicher Glaubensbekenntnisse. Der lebhafte Mann konnte das sehr
gut, und die Kaffeerunden – zu denen wir Jüngeren aus unseren schallgedämpften
Büros herauskamen - mit ihm (sofern er in Kiel war) verliefen stets
unterhaltsam. Faktisch wurde die Abteilung von Ulrich Hiemenz und Rolf Langhammer
geleitet. Wie andere aus der Abteilung auch (z.B. Stefan Baron und Thomas
Mayer), verließ ich Kiel 1980 nach nur drei Jahren.
Zum ersten Mal lebte ich in einer wirklichen Großstadt –
Köln! Dort, im Haus der deutschen Industrie am Gustav-Heinemann-Ufer, lernte
ich eine schöne Bibliothekarin kennen und lieben, die nun schon 40 Jahre lang
mein wirklicher Chef ist.
Ich hatte beim BDI angeheuert und verstand mich auf Anhieb
sehr gut mit dem nächsten Chef, den kettenrauchenden Kurt Steves (1930-2011). Dieser war von der Tageszeitung Die Welt als
Leiter der Abteilung für Außenwirtschaft und Integration zum BDI gewechselt;
die Flexibilität, Lockerheit und Weltläufigkeit des Journalisten hatte er sich bewahrt
und machte ihn trotz harter Arbeit im BDI zum Paradiesvogel. Meine wesentliche
Aufgabe war gottlob nicht die frustrierende Verbandsarbeit, sondern die Verfassung
der ausführlichen (immerhin 60 Seiten) BDI-Stellungahme zur Neuen
Weltwirtschaftsordnung (NWWO)[3],
welche besonders durch die UNCTAD propagiert wurde und von der
Prebisch-Singer-These geprägt war. Ein wesentliches Element der von der UNCTAD geforderten
NWWO war ein „Integrierte Rohstoffprogramm“, mit dem für 18 Rohstoffe stabilere
und höhere Preise erreicht werden sollen. Das galt es aus der
merkantilistischen Perspektive der deutschen Industrie in intelligenter Weise
abzuschmettern, wegen der Gefahr höherer Kosten und niedriger
Versorgungssicherheit der Rohstoffimporte. Ich verliess 1981 den BDI, nachdem
das Werk vollbracht war, aber hörte gelegentlich, dass ´mein´ NWWO-Memorandum
noch lange Zeit vom BDI verwendet wurde.
Schomerus |
Die nächsten Chefs befanden sich in der Industrieabteilung des BMWi, in der Villemombler Straße (Bonn). Die Anstellung verdanke ich in erster Linie meiner Diskussionsfreude und dem ordnungspolitischen Urgestein Hans Tietmeyer, der mich im Gegensatz zum damaligen Personalchef als nicht zu vorlaut empfand bei der Debatte mit anderen Kandidaten. Leider steckte man mich nicht in Tietmeyers Abteilung, sondern in die Industrieabteilung unter Robert Wandel und dem späteren Staatssekretär Lorenz Schomerus (1933-2018). Doch auch in der Abteilung Industrie gab es vielfältige Aufgaben, abseits von der reinen Lehre, selten jedoch federführend. Beispiele: Eine wasserdichte Ministererlaubnis gegen das Kartellamt (Salamander) erstellen; beim Internationalen Seerecht das AA im Zaume halten; die Anlegung einer deutschen strategischen Rohstoffvorsorge begründen; gegen die ordoliberalen Instinkte des Ministers (Otto Graf Lambsdorff) und seines Staatssekretärs Otto Schlecht ein Konzept für vorsichtige Industriepolitik erarbeiten (auch im Lambsdorff-Papier); und Redebeiträge für den Minister vorbereiten.
Im Dezember 1983 verliess ich mit meiner jungen Braut BMWi,
Bonn/Köln und Deutschland in Richtung Paris zur OECD. Über meine Chefs im (wegen
seiner vielen Privilegien) Goldenen Käfig OECD werde ich demnächst berichten.
.
[1] Leider
hat der Vahlen-Verlag nach drei Auflagen das Lehrbuch nicht im Programm
gehalten. Stützel begann nach einem Gehirnschlag Selbstmord und Grass schlug
eine Karriere als Pressesprecher verschiedener Unternehmen ein, sodass eine
akademische Verwertung des Lehrbuchs als Vorlesungsmaterial unwahrscheinlich
wurde.
[2] Vgl. aber Wolfgang Müller (2016), Saarbrücken: Zur archivischen Überlieferung eines prägenden Volkswirtschaftlers – der Nachlass von Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Stützel (1925 – 1987) im Archiv der Universität des Saarlandes, Nachlass Stützel.
[3] BDI
(1981), Für Kooperation zwischen Industrie- und Entwicklungsländern –
Memorandum zur Nord-Süd-Diskussion am Beginn des dritten Entwicklungsjahrzehnts,
Köln.
ReplyDeleteFalls es Sie interessieren sollte, "WalWol" ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Wolfgang Waldner, von dem Sie sich hier ein eigenes Bild machen können:
wolfgang-waldner.com
Ich enthalte mich jeglicher Kommmentierung.
Beste Grüße