Russland ist jetzt
genauso totalitär wie China. In den großen Schwellenländern bleibt die
autoritäre Herrschaft fest verankert[1].
Am 24. Februar ist Putins
Russland in die Ukraine einmarschiert und hat das Land, das tapfer für seine
Freiheit kämpft, mörderisch gebombt. Dies folgte auf den Einmarsch Russlands
auf der Krim und die Einnahme der ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk im
Jahr 2014. Das Vorgehen gemahnt an Putins Kriegsverbrechen im
Tschetchenien-Krieg und in Syrien.
Mindestens ein Jahrzehnt
lang hat Putin die Selbstversorgung seines Landes mit Nahrungsmitteln
aufgebaut, indem er die Getreideproduktion seit 2012 verdoppelt hat. Die beiden
Inputs, die man braucht, um einen langen Krieg zu führen, sind Getreide und
Energie - und davon hat Russland reichlich. Mit der Ukraine würden ein Viertel
der globalen Weizenproduktion unter Putins kontrolle fallen.
Russlands Leistungsbilanzsaldo
wurde nach dem Moratorium Ende der 1990er Jahre aktiviert. Mit den Überschüssen
baute die russische Zentralbank eine Kriegskasse von über einer halben Billion
US-Dollar auf. Von den Devisenreserven werden heute 12 vH in China gehalten; 22
vH werden als Goldreserven im Inland verwahrt; nur 6,5 vH der russischen
Devisenreserven werden noch in den USA gehalten.
Xi Jinping ist seit 2012
der oberste Führer Chinas; seitdem hat er seine Macht immer weiter gefestigt.
Er hat Demokratiebewegungen in Hongkong unterdrückt, Taiwan und andere
Nachbarländer bedroht. Nicht zuletzt hat er Zwangsinternierungen,
Massensterilisationen, Zwangsassimilation, "Umerziehung" und Zwang
für inhaftierte Uiguren zur Arbeit in Fabriken durchgesetzt.
Zeitenwende Im Jahr 2022
droht ein geopolitischer Umbruch. Die Global Governance zerfällt in einen
amerikanisch dominierten Block und einen chinesisch dominierten Block, mit
Russland und den EU-Ländern als Juniorpartnern. Diese Hypothese wurde von
Clemens Fuest (IFO München) und Martin Wolf (FT) vertreten[2].
Werden wirtschaftliche Spaltungen folgen? Die Verbindung zwischen
geopolitischer und wirtschaftlicher Spaltung wird durch Sanktionen kalibriert,
sofern diese wirksam sind.
Die BRICS-Staaten und ein
Großteil des "Globalen Südens" könnten sich für den von China dominierten
Block entscheiden – ein von westlichen Beobachtern heruntergespieltes Szenario.
Eine tiefe und anhaltende
Spaltung zwischen dem Westen und einem Block, in dessen Mittelpunkt China und
Russland stehen, wird zu wirtschaftlichen Spaltungen führen. Mangelndes
gegenseitiges Vertrauen und humanitäre Bedenken bewirken nach vier Jahrzehnten
intensiver Globalisierung einen Zerfall der Weltwirtschaft. Die militärische
Aufrüstung wird auch für die ganze Welt die Friedensdividende schrumpfen
lassen, so wie es in Putins Russland mit Ausnahme der superreichen Oligarchen
in den letzten zwei Jahrzehnten geschehen ist.
Sowohl China als auch Russland
sind wichtige Impulsgeber der BRICS (Website https://infobrics.org/), gemeinsam
mit Brasilien, Indien und Südafrika. Die BRICS führen mit Ausnahme Südafrikas
die Liste der Länder mit den höchsten
Devisenreserven vor
Deutschland an. Zusammen haben sie offizielle Devisenreserven im Wert von rund
6 Billionen Dollar aufgebaut, vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten. Das
auf dem BRIC-Gipfel 2014 in Brasilien beschlossene BRICS Contingent Reserve
Arrangement (CRA) bietet Schutz gegen globalen Liquiditätsdruck. Seit dem
BRICS-Gipfel 2015 in Russland wurde ein BRICS-Zahlungssystem eingerichtet, das
als Alternative zum SWIFT-System gedacht ist und weitgehend von China unterstützt
wird: Cross-Border Interbank Payment System
(CIPS).
Die Weltwirtschaft
zerfällt, korrekt gemessen, in etwa zwei gleiche Teile zwischen dem OECD-Block
und dem Rest der Welt. Trotz seiner von 24 auf fast 40 gewachsenden
Mitgliederzahl hat sich der Anteil der OECD am weltweiten BIP, ausgedrückt in
Kaufkraftparitäten (KKP), laut dem Internationalen Vergleichsprogramm (ICP)
zwischen 2011 und 2017 (letztes Referenzjahr) bei etwa 50 % stabilisiert. Auch
der Anteil der großen Schwellenländer (China, Brasilien, Indien, Indonesien,
die Russische Föderation und Südafrika) stabilisierte sich bei rund 30 % des
weltweiten BIP[3].
Die
Politikwissenschaftlerin Rachel S. Salzman (SAIS, Johns Hopkins U) hat in einer
faszinierenden Studie die führende Rolle Russlands bei der Gründung und Formung
der BRICS-Gruppe dokumentiert[4].
Der Wunsch, die Hegemonie der USA zu beenden, die Regeln neu zu schreiben und
neue Institutionen aufzubauen, ist eine gemeinsame Verpflichtung der Gruppe. In
einer Zeit der Entfremdung von der euro-atlantischen Welt bieten die BRICS
sowohl China als auch Russland internationale Unterstützung.
Sanktionen werden den
geopolitischen Bruch und die wirtschaftliche Spaltung auf globaler Ebene
vorantreiben. In welchem Ausmaß, ist weniger sicher, als unsere eigene
Propaganda uns glauben machen will. Vor
allem der Ausschluss russischer Banken von SWIFT wurde von Ökonomen und
Politikern als "nukleare" Sanktion gefeiert, die Putin schnell zu
Fall bringen würde. Alistair Milne, Professor für Finanzwirtschaft an der
Universität Loughborough (UK), hat jedoch überzeugend dargelegt, dass der
Ausschluss Russlands aus SWIFT im Gegensatz zum Einfrieren der Reserven der
russischen Zentralbank ziemlich wirkungslos sein bleiben dürfte[5].
Jedenfalls dürfte sich neben Russland nun auch China motiviert fühlen, die
westliche Finanzarchitektur in Zukunft zu meiden.[6]
Die Resolution der
UN-Generalversammlung gegen Russland vom 2. März hat vielen die Augen geöffnet.
Sicher, die "Welt will ein Ende des enormen menschlichen Leids in der
Ukraine" (UN-Generalsekretär Antonio Guterres). Aber nur 141 der insgesamt
198 UN-Mitgliedsstaaten der UN-Generalversammlung nahmen eine Resolution an, in
der Russland aufgefordert wird, seine Militäroperationen in der Ukraine
unverzüglich zu beenden. Fünf Länder - Belarus, Nordkorea, Eritrea, Russland
und Syrien - stimmten dagegen, 35 enthielten sich der Stimme.
Das Abstimmungsverhalten
Afrikas muss für die DAC-Geber ein besonderer Wermutstropfen sein. Die Hälfte
der (zu) vielen afrikanischen Länder hat Russlands Angriff auf die Ukraine
nicht verurteilt. Sie zogen es vielmehr vor, sich der Stimme zu enthalten,
abwesend zu sein, und wie Eritra gegen die UN-Resolution zu stimmen. Hauptmotov
der afrikanischen Verweigerung, so der südafrikanische Wissenschaftler Paul-Simon
Handy (ISS, Pretoria), ist eine tiefe anti-westliche Einstellung. Strukturell
durch die Kolonialisierung und Versklavung durch die Europäer erklärbar,
scheint auch die Ermordung des lybischen Staatsoberhauptes (und Finanzier der
Afrikanischen Union) Muammar al-Gaddafi eine wichtige Rolle zu spielen[7].
Der Westen mag gedacht
haben, dass die Gräueltaten in der Ukraine Russland völlig isolieren könnten.
Möglicherweise hat er jedoch übersehen, in welchem Ausmaß nicht-westliche
Länder ihre wirtschaftlichen Beziehungen abseits des Westens intensiviert haben
und wie dies zu politischen Verbindungen geführt hat, die von neuen, nicht von
den USA beherrschten Institutionen unterstützt werden. Kurz, der Westen hat die
Weltneuvermessung (Shifting Wealth)[8]
ignoriert.
[1] “Democratic
Recession in Major Emerging Countries”, ShiftingWealth Blog, 9. April 2021.
[2] [1]
Clemens Fuest (2022), "Economic
Consequences of the Russian Invasion of Ukraine", ifo Standpunkt 234,
4. März: Martin Wolf (2022), "Putin hat den Konflikt zwischen Tyrannei
und liberaler Demokratie neu entfacht", FT, 1. März.
[3] https://www.oecd.org/sdd/prices-ppp/oecd-share-in-world-gdp-stable-at-around-50-per-cent-in-ppp-terms-in-2017.htm
[4] Rachel S. Salzman (2019), Russia,
BRICS, and the Disruption of Global Order, Georgetown University Press.
[5] https://www.france24.com/en/tv-shows/people-profit/20220303-fortress-russia-has-putin-built-a-sanctions-proof-economy
[6] Wolfgang Münchau (2022), “A
BRIC, impenetrable to sanctions”, Eurointelligence, 13. März.
[7] Paul-Simon Handy (2022), „La
poutinophilie d’une partie des Africains relève d’abord d’un rejet de
l’Occident”, Le Monde, 9. März.