https://www.oekonomenstimme.org/artikel/2020/04/staatsfonds-im-corona-stress/
Norwegens erdölgespeister Staatsfonds wird oft als Modell auch für das rohstoffarme Deutschland empfohlen. Die Coronavirus-Pandemie erhellt jedoch seine Portfolioschwächen, da bei Finanzkrisen Ölpreise und Aktienwerte eng korrelieren. Hotellings und Hartwicks Regeln der Ölförderung und deren Erlösverwendung geben optimale Verhaltensregeln.
Der Mannheimer Ökonomieprofessor Tom Krebs titelte neulich maliziös: „Schade, dass wir letztes Jahr keinen staatlichen Aktienfonds (Bürgerfonds) aufgelegt haben, um die Rente in Deutschland zu sichern“. Das war am 23. März, die Weltbörsen waren wieder runtergerauscht infolge der Corona-Krise. Weder ihn[ 1 ] noch mich[ 2 ] konnte das Argument für einen global investierten Staatsfonds Deutschlands zur Altersvorsorge überzeugen.
Der weitverbreitete Glaube deutscher VolkswirtInnen, dass Deutschland einen Staatsfonds brauche, wurde durch Pikettys berühmte Formel r>g mitbegründet: Langfristig übersteige der Kapitalertrag r das Wirtschaftswachstum g, was zur ungleichen Vermögensverteilung führe. Hinzu gesellte sich der Blick auf Norwegens Staatsfonds, den größten Fonds seiner Art in der Welt. Der norwegische Staatsfonds, der die Öleinnahmen des Landes weltweit anlegt, hatte in den letzten zwanzig Jahren einen durchschnittlichen Ertrag von 6% erwirtschaftet – das sind fast sechs Prozentpunkte mehr als die aktuellen Zinsen für 10-jährige Bundesanleihen.
Schwere Verluste für Staatsfonds
Staatsfonds haben seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie schwere Verluste erlitten; diese Verluste wurden durch den Einbruch des Ölpreises auf den niedrigsten Stand seit 2002 noch verstärkt. Die Staatsfonds der erdölproduzierenden Länder, vor allem im Nahen Osten und in Afrika, werden schätzungsweise bis zu 225 Milliarden Dollar in Aktien abstoßen, da die fallenden Ölpreise und die Coronavirus-Pandemie die Staatsfinanzen belasten. Für das Jahr 2020 übersteigt die Summe der Aktienverluste der Staatsfonds laut einem Bericht von Reuters vom 29. März eine Billion US-Dollar.
Wie groß war dieser Verlust? Das ist schwer zu präzisieren, da sich die Staatsfonds in Geheimhaltung hüllen. Es ist zu vermuten, dass das Gesamtvermögen der Staatsfonds weltweit um etwa ein Achtel (12,5%) gesunken ist. Das Gesamtvermögen der Staatsfonds ist bis zum Frühjahr 2018 auf 7,45 Billionen USD gestiegen, wie die jüngste Preqin Sovereign Wealth Fund Review berichtet. Ich gehe davon aus, dass das Gesamtvermögen bis zum plötzlichen Stopp Anfang dieses Jahres weiter bescheiden gestiegen war.
Tabelle 1: Vermögen (Mrd. US$) der zehn größten Staatsfonds, Ende 2019
Die Tabelle listet und ordnet die zehn größten Staatsfonds nach ihrem Anlagevermögen auf, das mit mehr als 5,8 Billionen US-Dollar etwa 75% des weltweit von den Staatsfonds verwalteten Vermögens ausmacht. Chinas Staatsfonds verwalteten zusammengenommen das größte Vermögen (1,8 Billionen US-Dollar), sogar ohne Berücksichtigung des Investitionsportfolios der Hongkong Monetary Authority. Der norwegische Staatsfonds hat aber die Spitzenposition beibehalten.
Wie werden erdölgespeiste Staatsfonds reagieren?
Die Zeitung "The Local Norway" berichtete, dass der norwegische Staatsfonds beim aktuellen Wechselkurs für die norwegische Krone 125 Mrd. US$ verloren habe. Sein Aktienportfolio, das etwa zwei Drittel seiner Bestände ausmacht (das entspricht 1,5 Prozent der globalen Marktkapitalisierung), verzeichnete im Jahr 2020 bisher einen Rückgang von 23 Prozent. Infolgedessen ist das Gesamtvermögen des norwegischen Ölfonds unter 1 Mrd. USD gefallen, ein Niveau, das erstmals 2017 erreicht wurde.
Yngve Slyngstad, der Leiter des norwegischen Fondsmanagers Norges Bank Investment Management, kündigte an, dass der Rückgang des Vermögens eine so genannte Wiederausgleichsregel auslösen werde. Das bedeutet, dass der Staatsfonds langfristig Anteile an den globalen Aktienmärkten kaufen wird. Die Aktienquote des Fonds, die Ende 2019 mit 70% auf dem Zielwert lag, sei auf knapp über 65% gesunken. Ist ein so hoher Aktienanteil jedoch für das Portfolio eines ölgespeisten Staatsfonds sinnvoll? Das ist zu bezweifeln. Zumindest könnte man Norwegen raten, mit der Reinvestition von Aktien zu warten und die Ölförderung eher einzustellen.
Dafür spricht Hotellings Regel[ 3 ] für effiziente Rohstoffförderung: Ein erdölexportierendes Land, das eine optimale Förderung anstrebt, hat die Wahl, sein Öl im Boden zu behalten (in diesem Fall ist der Ertrag der erwartete Anstieg der zukünftigen Ölpreise) oder eine alternative Marktrendite für seinen Erdölerlös zu erhalten.
Der Konflikt zwischen Russland und Saudi-Arabien und die weltweite Coronakrise haben den Ölpreis auf ein historisch niedriges Niveau getrieben. In den letzten Jahren kostete das Brent-Rohöl zwischen 60 und 80 US-Dollar pro Barrel. Ende März 2020 lag er bei etwa 21-23 US-Dollar. Eine Rückkehr zum Mittelwert würde einen Anstieg von 300 Prozent in den nächsten zwei, drei Jahren bedeuten. Während die Saudis den Markt weiter überschwemmen, wird ihr Gesamtkapital sinken, falls die Einnahmen nicht vollständig in Finanz-, Sach- oder Humankapital reinvestiert werden können. Das folgt aus Hartwicks Regel der Gleichstellung gegenwärtiger und zukünftiger Generationen.
Aber die Saudis werden sich nicht ewig schaden, was ein Ende der Überschwemmung des Weltmarktes und höhere Ölpreise implizieren sollte.
Hohe Korrelation zwischen Ölpreis und Aktienindizes
Was kann der norwegische Staatsfonds in den nächsten zwei, drei Jahren in Bezug auf künftige Aktienrenditen erwarten? Vieles hängt von der Form der Erholung ab - V, L, W oder U[ 4 ] . Der 300-prozentige Anstieg, den er für Öl erwarten kann, ist eher unwahrscheinlich. Zwar ist der Fonds hauptsächlich in Big Caps wie Apple, Microsoft, Alphabet, Roche, Nestlé und Novartis investiert. Aber nehmen wir an, der staatliche norwegische Pensionsfonds Global wird einfach den MSCI World[ 5 ] kaufen, um sein Portfolio auf die Aktienquote von 70 Prozent zurückzuführen. Dieser Index ist von 2400 gefallen und hat im März mit 1600 (oder 33% niedriger) seinen Tiefpunkt erreicht. Um alte Höchststände zu erreichen, müsste der MSCI World um 50% steigen. Im Falle einer V-förmigen Erholung der Weltwirtschaft zumindest wäre der erwartete Anstieg der Ölpreise höher als bei Aktien. Wenn sich aber die Weltwirtschaft nicht schnell erholt, weil das Coronavirus weiter um sich greift, werden sowohl die Öl- als auch die Aktienpreise bestenfalls gedrückt bleiben.
Abbildung 1: MSCI Welt und Ölpreise (Brent), März 2019 bis März 2020
Ein dauerhafterer Aspekt, der dagegenspricht, den Aktienanteil der ölgespeisten Staatsfonds auf 70% zu erhöhen, ergibt sich aus grundlegenden Erkenntnissen der modernen Portfoliotheorie[ 6 ] . Sie besagt, dass die Portfoliovarianz durch die Auswahl von Wertpapieren mit geringer oder negativer Korrelation, in die investiert werden kann, wie z.B. Aktien und Anleihen, reduziert werden kann. Tatsächlich haben die jüngsten Turbulenzen sowohl auf den Öl- als auch auf den globalen Aktienmärkten deren Korrelation auf ein hohes Niveau getrieben, während AAA-Staatsanleihen davon weitgehend unberührt blieben.
- 1 Tom Krebs (2018), Deutschland braucht keinen globalen Staatsfonds, Makronom, 12. Dezember.
- 2 Helmut Reisen (2017), Staatsfonds für Deutschland?, Ökonomenstimme, 13. Oktober.
- 3 Helmut Reisen (2008), How to spend it: Sovereign wealth funds and the wealth of nations, Voxeu, 5. Juni.
- 4 Richard Baldwin & Beatrice Weder (2020), Economics in the Time of COVID-19, Voxeu, 6. März.
- 5 Der MSCI World ist ein nach der Marktkapitalisierung gewichteter Index, der ein breites Maß für die Performance von Aktienmärkten in der ganzen Welt bieten soll. Der Index wird von Morgan Stanley Capital International (MSCI) verwaltet und setzt sich aus Aktien aus 23 Industrieländern und 24 Schwellenländern zusammen.
- 6 Investopedia, How Can I Measure Portfolio Variance?
©KOF ETH Zürich, 15. Apr. 2020
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